Ich habe eine neue Lieblingsserie! Bisher war es Game of Thrones gewesen, aber nun ist sie vom Thron geschubst, jetzt ist es The Handmaid’s Tale – Der Report der Magd. Die Serie hält sich sehr eng an Margret Atwoods Novelle mit gleichem Titel, die sie 1985 veröffentlichte und handelt von einer sehr düsteren Sicht auf die Zukunft.

Durch Umweltverschmutzung verschiedenster Art ist die Welt sehr stark aus dem Gleichgewicht gebracht worden, nicht nur gibt es nicht mehr genügend (verzehrbare, weil nicht verseuchte) Nahrungsmittel, auch werden fast keine Kinder mehr geboren, da die Verschmutzung der Umwelt zu Unfruchtbarkeit geführt hat. Diese schrecklichen Verhältnisse haben dazu geführt, dass in Amerika eine fundamentalistisch (vermeintlich) christliche Gruppierung durch Gewalt die Führung übernommen und einen neuen Staat namens Gilead aufgebaut hat, der zum Erhalt der Menschheit führen soll, aber ein sehr enges Regelwerk vertritt. Das Anschauen dieser Serie schnürte mir immer wieder die Kehle zu, was ich da zu sehen bekam berührte mich, machte mich nachdenklich und traurig.

Das ist für mich immer ein Qualitätsmerkmal, wenn mich Bücher, Musik, Filme oder Serien wirklich emotional berühren, dann finde ich sie auf irgendeine Weise gelungen, das kann häufig etwas ganz Banales oder Kitschiges sein, eine schöne Schnulze, etwas ganz Trauriges oder eben auch Schreckliches. Ich empfinde es dann als schön, dass ich da so mitgehen kann, ohne es selber erfahren zu dürfen oder zu müssen. Bei dieser Serie geht es aber sehr viel weiter mit dem Berühren, denn sie erreicht mich nicht nur auf der emotionalen Ebene, sondern auch inhaltlich. Es geht um Politik, um Menschenrechte und um Religion. Und interessanter Weise mal nicht um den Islam, der allen Menschen fast überall in den letzten Jahren so viel Angst macht, sondern um eine Religion, die auf der Bibel fußt. Ständig wird man mit Bibelstellen konfrontiert; das Gesetz und einige wichtige Zeremonien in diesem neuen Staat Gilead basieren auf Vorschriften und Geschichten des Alten Testaments. Und das Ergebnis ist schrecklich: Frauen haben kaum mehr Rechte, sie dürfen kein Eigentum haben, sie dürfen nicht arbeiten, sie dürfen nicht lesen. Homosexuelle werden als „Geschlechtsverräter“ getötet. Es gibt schreckliche Strafen, wenn man in dieser Welt nicht funktioniert, Steinigungen, Augen ausreißen, Hände abhacken, alles beruht auf Sätzen aus der Bibel. Der einzige Zweck von Frauen ist, Kinder in die Welt zu setzen, da aber fast alle nicht mehr zeugungs- oder gebärfähig sind, sieht es noch einmal schlechter aus für die Frauenwelt.

Aber das Beunruhigendeste an dieser Serie: Anders als viele andere Serien mit düsteren Zukunftsansichten ist sie so nah an Heute, an Dingen und Entwicklungen, die heute passieren. Um das zu veranschaulichen werden immer wieder Rückblicke der Protagonisten in eine nahe Vergangenheit gezeigt, wo sie genauso lebten wie wir heute, liberal, modern und frei. Und dann gar nicht mal so langsam oder unbemerkt hat sich ihre Welt verändert. Aber die Menschen haben nichts unternommen, sie sind mitgelaufen in einer irritierten Hoffnung, dass sich das wieder von alleine einrenken würde. Aber das passierte natürlich nicht, sondern es wurde immer schlimmer und als sie es mit Widerstand versuchten war die Gegenseite schon viel zu stark und die Gewalt viel zu beängstigend. Und auf einmal geht es nicht mehr um Veränderung, sondern ums Überleben und unter sehr großen Anstrengungen auch darum, sich selbst vielleicht irgendwie treu zu bleiben, was den wenigsten gelingt.

Diese Serie spielt in einer noch fiktiven Welt, einer Welt, die kurz vor dem Niedergang steht, vielleicht rechtfertigt das ein wenig die Mittel der Herrschenden, aber schlimm ist, dass all das, was Margret Atwood in der Novelle beschrieb, schon einmal irgendwo passiert ist. Und manches davon ist auch heute schon in unserer westlichen Welt angelegt. Menschen sind unterschiedlich viel wert in unserer Gesellschaft, das spürt man an vielen Stellen wie Gesundheit, Bildung, Pflege, Arbeit… Und besonders deutlich bei den Menschen, die an den Grenzen Europas ertrinken, weil Europa sich um Zuständigkeiten streitet und Unterstützung verweigert.

Angst geht um in Europa und auch in Deutschland, Angst davor, dass wir zu kurz kommen, dass „wir es nicht schaffen“… Angst kann hilfreich sein, aber auch lähmend, manchmal wird Angst auch ausgenutzt von Menschen, die es nicht gut meinen. Meine neue Lieblingsserie warnt davor, dass wir uns insgesamt in die falschen Richtung bewegen könnten.

In der Bibel gibt es viele Sätze, die verstörend und destruktiv wirken können, aber sehr viele, sehr gute und hilfreiche. Zu einem meiner Lieblingssätze gehört folgender aus dem 2. Timotheusbrief: Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.

Eine furchtlose, aber liebevolle Zeit wünscht Ihnen,

Ihre Iris Gronbach