Die Sache mit der Erinnerung

Die Urlaubszeit ist vorbei. Viele Menschen waren in dieser Zeit unterwegs, haben fremde Orte besucht, sich mal aus dem Alltag gezogen und hoffen jetzt, dass die Erholung oder die neuen Impulse Kraft für die kommenden Monate bringt. Manch einer hat auch schon das nächste Ziel, die nächste Auszeit fest geplant.
Wie funktioniert das eigentlich mit „dem Kraft Geben“ des Urlaubs? Das sind häufig 2 Wochen, manchmal 3, die wir ganz anders verbringen als sonst, aber dann haben wir ja wieder diese unzähligen anderen Wochen, an denen wir Tag für Tag gefordert werden, an denen Viele von uns nicht wirklich zur Ruhe kommen, in denen von uns häufig mehr verlangt wird, als gut für uns ist! Wie können die 2-3 Wochen da helfen? Indem wir uns erinnern! Indem wir die Zeit des Urlaubs ganz bewusst genießen und immer wieder alles, was uns gut tut, speichern! Fotografieren hilft da Vielen oder Bilder bei Instagramm oder facebook posten. Auch das Postkarten schreiben ist nicht immer nur erfreulich für die, die welche kriegen, sondern auch für die Verfasser, die dann ihren Eindruck bündeln und in Worte verfestigen. Manche schreiben Tagebuch über ihren Urlaub oder moderner: verfassen einen Blog, der dann für Viele lesbar ist. Indem wir das tun, setzen sich die schönen Erlebnisse in unserem Kopf und unserem Herzen fest!
Erinnerungen sind also etwas Gutes, sie können uns helfen, stärken, erfreuen. Aber manchmal bleiben die falschen Dinge im Gedächtnis hängen. Dazu eine kleine Geschichte:

Der durstige Reisende
[Anthony de Mello, Eine Minute Unsinn]
Ein Meister lag einmal im Zugabteil eines Schlafwagens auf dem oberen Bett. Er konnte aber nicht einschlafen, weil unter ihm ein anderer Reisender die ganze Zeit stöhnte „Ach, was bin ich durstig ? ich bin so durstig… Ach, was bin ich durstig, so durstig…“
Nachdem das Stöhnen kein Ende nahm, kletterte der Meister von seinem Bett herunter, lief bis zum Speisewagen und kaufte dort eine Flasche Wasser. Er kam zurück in das Abteil und reichte dem durstigen Mitreisenden das Wasser.
„Hier hast du etwas zu trinken.“
„Oh, wunderbar! Gott sei Dank!“
Der Meister kletterte wieder hinauf zu seinem Bett und streckte sich zum Schlafen aus. Kaum hatte er die Augen geschlossen, hörte er es von unten stöhnen: „Ach, was war ich durstig… ich war ja so durstig…“

UPS! Erinnerungen können also auch das Gegenteil von „Kraft Geben“, sie können uns lähmen, können machen, dass wir in erlebtem Leid stecken bleiben. Vermutlich ist uns das auch schon mal passiert. Da hatte man einen wunderschönen Urlaub mit super Wetter und sauberen Strand, aber leider hat man sich am vorletzten Tag eine kleine Lebensmittelvergiftung eingefangen und von den 2 Wochen bleibt: Da fahre ich nie wieder hin, das war eine Katastrophe!!! Oder: 20 Jahre war man glücklich verheiratet, aber dann kam die große Krise und was bleibt ist ein unbändiger Hass auf den Ex-Partner. Oder: Man lebt ein gutes Leben, ist sehr zufrieden mit allem, was man erreicht hat, aber bei jeder Familienfeier brennt es in einem, wenn man sich daran erinnert, dass man selbst nie das Lieblingskind des Vaters war und fühlt eine scheußliche Verachtung für seine Geschwister, die man eigentlich sehr gern hat… Erinnerungen können vergiften.
Dabei ist das meistens eine Frage der Perspektive. Wie schaue ich auf das Geschehene? Was ist erinnerungswerter?
Und manchmal ist es ja auch so, dass wir mehr Gewinn haben, wenn wir uns an die Negativseite erinnern. 2 Wochen Mallorca mit schönem Wetter und guter Laune, kann ja jeder, aber Lebensmittelvergiftung im Ausland!??! Das ist doch mal eine echte Geschichte!
Allgemein reagieren wir mehr auf Negativ-Stories als auf etwas Schönes! Das erklärt auch, dass wir in den Medien so viel Schreckliches aufgetischt bekommen! Furchtbares, Problembehaftetes, Trauriges durchbricht schneller unseren Wahrnehmungspanzer. Die schönen Dinge des Lebens interessieren uns nicht so sehr. Zwar taucht hin und wieder schon mal etwas auf, was dann ganz berühmt und beliebt wird, aber zu viel davon und wir fühlen uns verkitscht. Und wenn wir selbst zu viel Positives und Schönes erzählen, kommen wir uns gleich wie Angeber vor oder haben Sorge, dass wir unsere Gesprächspartner betrüben, weil die ja bestimmt nicht so viel Glück haben, wie wir!
Wie schade!
Der Mann in unserer Geschichte hatte Durst, das ist unangenehm. Aber wie großartig, dass ein Fremder ihm geholfen hat, das wäre doch etwas, an dem man sich festhalten könnte für die nächste Zeit. Das wäre etwas, was einem selbst und anderen weiterhelfen würde. Das Gute erinnern, daran denken und sich davon leiten lassen.
Ich wünsche Ihnen viele gute Erinnerungen!
Ihre Iris Gronbach