Ich hatte einen Traum

Ich hatte einen Traum…nein, stimmt nicht, ich habe einen Film gesehen über jemanden, der einen Traum hatte… ?

Genau, es geht um Martin Luther King und der Film, der mich sehr beeindruckt hat, heißt Selma. Ich schreib es gleich mal vorweg: Ich habe geweint, recht viel sogar. Nicht weil es ein so schöner Film war, sondern weil mich die hässliche Brutalität der damaligen Rassisten und die staatliche Ungerechtigkeit fertig gemacht haben. Vielleicht hätte mich das zu einer anderen Zeit weniger berührt, vielleicht haben mich die Nachrichten, die Bilder, die Geschehnisse, die uns Allen jeden Tag aufs Neue vor Augen geführt werden, empfindlicher gemacht. Es spielt eigentlich auch keine Rolle, denn Rassismus war und ist immer schrecklich.
Der Film behandelt nur einen kurzen Zeitraum im Leben Martin Luther Kings. Und zum Glück kommt das Attentat, dem King dann 1968 zum Opfer wurde, nicht ausdrücklich vor.
Es geht um den Marsch von der Stadt Selma nach Montgomery (Hauptstadt von Alabama), den King mit anderen Aktivisten geplant und veranstaltet hat, um das längst entschiedene Wahlrecht für die schwarze Bevölkerung auch zur Ausführung zu bringen. Und es geht um die Probleme, die Unterstützung, das politische Drumherum, die Schuld und die Opfer von Martin Luther King und vielen andern, die für eine wichtige gemeinsame Sache eingestanden sind. Und dann geht es nicht zuletzt um Hoffnung, die auch bei den stärksten Menschen zerbrechlich ist.
Die Brutalität, zu der Menschen fähig sind, wenn sie der Meinung sind, dass ihnen etwas weggenommen und anderen, angeblich unwürdigeren Menschen, gegeben wird, war und ist für mich immer wieder unfassbar. Wie kann man ohne Bedrohung auf Kinder, Frauen, Alte oder auch Männer einschlagen? Und sich dabei noch vollkommen im Recht fühlen? Was ist da nicht in Ordnung mit uns Menschen, dass wir uns manchmal noch viel schlimmer als Tiere verhalten?
Aber nachdem ich dieses Thema, zu dem ich vermutlich keine befriedigende Antwort bekommen werde, wieder einigermaßen weggeschoben hatte, beschäftigte mich eine andere Frage:
Wie besonders und wie schwer muss es sein, ein Anliegen zu haben, das einem so wichtig ist, dass man den eigenen Tod für das Weiterkommen der Sache in Kauf nimmt!?? Und damit nicht genug, sondern auch Andere damit gefährdet, die eigene Familie fast zerstört. Wie ist das, wenn man Angst hat, dass man mit schuld sein könnte an der Tötung ehrbarer Menschen, die aber auf einen hören, weil sie die Hoffnung haben, dass dadurch das Leben irgendwann besser wird?
Martin Luther King hat 1964 den Friedensnobelpreis bekommen und wurde nach seiner Ermordung (04.04.1968) mit der Freiheitsmedaille („The Presidential Medal of Freedom“) geehrt, der höchsten zivilen Auszeichnung in den USA, 1978 erhielt er den Menschenrechtspreis der Vereinten Nationen. Er hat viel erreicht mit GEWALTLOSEM Widerstand, was aber natürlich in dieser unserer Welt zur Folge hatte, dass dennoch Gewalt ausgeübt worden ist. Der Film zeigt seine inneren Konflikte, seine Fragen, ob sein Weg eigentlich zielführend ist, und ob die Opfer, die Andere und er gebracht haben, sich lohnen.
Martin Luther King hatte Soziologie und Theologie studiert, er war Doktor der Philosophie und er war Reverend, ein Prediger. Sein politisches Handeln war immer getragen vom christlichen Glauben, dem er sich verpflichtet fühlte und der ihm sicherlich auch immer wieder Kraft gab. Viele hier bei uns in Deutschland sind auch Christen, aber das wirkliche Einstehen für christliche Werte sehe ich kaum. Vielleicht ist der Leidensdruck bei uns Christen hier im Moment nicht stark genug. Vielleicht haben wir uns davon verabschiedet, Religion als Antrieb für unser politisches Handeln anzusehen, weil wir zu viele Negativbeispiele erlebt haben. Vielleicht machen wir uns aber auch zu wenig Gedanken, was es im Alltag, im Handeln, in der Politik und unserer Gesellschaft bedeuten könnte, wenn wir dort mehr zu unserem Glauben und zu unseren christlichen Überzeugungen stehen würden.
Im Matthäus-Evangelium sagt Jesus: Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und stellt es unter den Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. (Mt 5, 14ff)
Einen immer noch von Licht durchfluteten, schönen Oktober wünscht Ihnen,
Iris Gronbach